Meinem Ziel ein Six Star Finisher zu werden bin ich wieder ein Stück näher gekommen: Ich durfte beim Tokyo Marathon laufen! Es war ein unvergessliches Erlebnis und eine unglaublich interessante und traumhafte Reise.
Seitdem ich im Frühjahr 2023 meinen vierten Stern in London eingesammelt hatte, habe ich mich bemüht auch für meine beiden letzten Läufe in Tokyo und Boston einen Platz zu bekommen. Das ist leider nicht so einfach, da es insbesondere in Boston gar keine Auslosung gibt und es auch bisher in Tokyo nur eine recht überschaubare Anzahl von Plätzen in der Auslosung gab. Qualifikationszeiten sind fernab meiner Möglichkeiten und so stehe ich bei den verfügbaren Reiseveranstaltern (ITO) auf den Wartelisten. Der Marathon in Tokyo – mein insgesamt 17. Marathon – hat mich nun meinem Ziel, mir die begehrte Medaille als Six Star Finisher umhängen zu lassen, wieder einen entscheidenden Schritt näher gebracht. Und mit dem fünften Stern bin ich jetzt auch schon in der Hall of Fame als Five Star Finisher zu finden. Es ist jetzt ja schon wieder ein paar Wochen her, aber ich versuche mal die Ereignisse aufzubereiten.
Der Startplatz
Die Tokyo Marathon Foundation veranstaltet zwar alle paar Monate Challenges, bei denen man für ein Startgeld von nur ein paar Euro an virtuellen Rennen teilnehmen kann. Allerdings gibt es hier auch immer nur eine handvoll Startplätze zu gewinnen und da bin ich natürlich immer leer ausgegangen.
Im letzten Sommer wurde dann aber mit One Tokyo Global eine neue Mitgliedschaft ins Leben gerufen, bei der auch internationalen Läufern diverse Benefits geboten wurden. Das Interessanteste dabei ist die zusätzliche Vorabauslosung von 3000 Startplätzen unter den zahlenden Mitgliedern. Die Mitgliedschaft gab es vorher schon für Japaner und diese wurde jetzt durch zusätzliche Variante für internationale Läufer erweitert. Da ich immer wieder Werbemails für diese Mitgliedschaft erhalten habe, hatte ich mich kurz vor Ende der Anmeldefrist doch noch dazu hinreißen lassen, da ich die Chancen dieser Auslosung als durch aus gut einschätzte.
Und was soll ich sagen? Ich hatte Glück und wurde direkt in der ersten Auslosung gezogen. Ich konnte es fast nicht glauben! Ich hatte einen Startplatz für Tokyo! Sofort habe ich meine Kreditkarte gezückt und das im Vergleich zu den anderen Majors günstige Startgeld bezahlt. Im Gegensatz zu anderen Auslosungen muss man dort nämlich nicht vorab die Kreditkarte hinterlegen, sondern erhält mit der erfolgreichen Auslosung eine Zahlungsaufforderung. Auch sonst läuft bei der Anmeldung in Tokyo alles etwas anders. Das offizielle Teilnehmer-Shirt kann man nicht sofort mitbestellen, sondern bekommt irgendwann Dezember eine Mail und kann diese über das MyEntry-Portal bestellen. Dabei muss man sich aber beeilen, weil es nur eine limitiere Anzahl gibt.
Auf nach Japan
Den Startplatz hatte ich also, nun hieß es die Reise zu organisieren. Natürlich wollten wir ein so besonderes Reiseziel mit der ganzen Familie erleben und erkunden. Ende Februar/Anfang März ist aber nun nicht unbedingt die übliche Zeit, in der Schulferien stattfinden. Also mussten wir eine Beurlaubung beantragen. Leider haben wir nicht ganz die erhoffte Anzahl an Tagen genehmigt bekommen, aber dank der Karnevalstage, die sich passenderweise um das Marathon-Wochenende gruppierten, war die Anreise mit der ganzen Familie möglich, auch wenn unser Sohn leider vorzeitig nach Hause fliegen musste.
Um die knappe Zeit bei der langen Anreise möglichst ideal ausnutzen zu können, haben wir uns für Direktflüge ab Frankfurt entschieden. Abflug war Mittwoch Abend, Ankunft aufgrund der Zeitverschiebung erst Donnerstag Abend. Beim Anflug durften wir einen grandiosen Blick auf den Fuji-San genießen, nach der Landung war es dann aber bereits dunkel und im Stadtteil Shinjuku, wo sich unser Hotel befand, war bereits das Nachtleben in vollem Gange. Nach dem Check-in im Hotel haben wir uns in der Nähe eines der vielen Restaurants ausgesucht. Wie wir Experten aber erst später bemerkt haben, hatten wir ein koreanisches Restaurant ausgesucht... Aber es war natürlich trotzdem sehr lecker.
teamLab
Am nächsten Morgen hatten wir zunächst Tickets für teamLab Planets, der extrem populären immersiven Ausstellung eines japanischen Kunstkollektivs. Man taucht dort in unterschiedliche Welten ein, die man zum Teil auch interaktiv beeinflussen kann. Einige Teile der Ausstellung erkundet man z.B. auch Barfuß und muss dabei durch fast knietiefes Wasser waten. Wirklich lohnenswert und ein absoluter Pflichtbesuch, wenn man in Tokyo ist. teamLab befindet sich nur wenige Stationen entfernt vom Konferenzzentrum Tokyo Big Sight, in der die Expo stattfand, sodass sich das prima kombinieren ließ.
Die Expo
Es war auf jeden Fall die richtige Entscheidung, den Besuch der Expo nicht direkt am Vormittag zu planen, denn so gab es am Nachmittag keine Warteschlangen mehr. Wie üblich musste man dort zu mehreren Stationen. Zunächst bekam man die Startnummer und ein Armband und dann konnte man die bestellten T-Shirts (oder Ähnliche Dinge) abholen.
Zum Anschluss musste man in einer kleinen Schleuse noch einmal die Startnummer prüfen lassen, ob der Chip auch korrekt funktioniert. Grundsätzlich eine gute Sache, denn soweit ich weiß gab es wohl letztes Jahr in Berlin vereinzelt Probleme mit defekten oder fehlenden Chips auf den Startnummern. Bei mir passte alles und danach ging es auf die eigentliche Expo, insbesondere den Stand des offiziellen Ausrüsters ASICS. Wie zu erwarten, waren die meisten Sachen bereits ausverkauft, aber ich konnte zumindest noch einen Hoodie ergattern. Und das T-Shirt hatte ich ja vorab bestellt.
Noch etwas die Stadt erkunden
Anschließend gab's noch ein wenig Sightseeing. Wir waren unter anderem an der bekannten Shibuya Crossing, die Kreuzung bei der man als Fußgänger gleichzeitig in allen Richtungen kreuz und quer die Straße überqueren kann. Ein ziemlicher Touristenmagnet, aber schon witzig, dass dort fast jeder mit dem Handy hochhaltend und filmend durchläuft. Und es macht wirklich Spaß durch das Gewusel zu laufen.
Natürlich waren wir auch leckeres Sushi essen. Praktischerweise gibt es eigentlich in allen Restaurants bebilderte Speisekarten und teilweise täuschend echt aussehende Plastik-Modelle der Speisen. Das macht das Bestellen deutlich einfacher, weil man mit English nur teilweise weiter kommt. Ansonsten hilft natürlich auch die Google-Translate-App zur Übersetzung der japanischen Schriftzeichen.
Friendship Run
Wie bei den meisten anderen Majors gibt es auch in Tokyo am Tag vor dem Marathon einen kleinen 5K Lauf. In Tokyo ist das der sogenannte Friendship Run, der sich aber etwas von anderen Läufen dieser Art unterscheidet. Die Teilnahme ist nur internationalen Läufern vorbehalten und verteilt sich in drei Gruppen mit nur jeweils 500 Läufern. Die Läufe waren also schnell ausgebucht, aber ich hatte Glück, dass ich für mich und die Kids noch einen Platz in der dritten Gruppe bekommen habe.
Vor jedem Lauf gab es dann eine kleine Zeremonie sowie eine Cheerleader-Aufführung einer japanischen Schule oder Ähnlichem. Außerdem konnte man Fotos mit einer alten Rikschka machen. Das Ganze fand auf einem Sportplatz im Stadtteil Asakusa statt. Danach ging es dann auf die mehr oder minder abgesperrte Strecke ein wenig hin und her am und über den Sumida River. Die Strecke war leider nicht vermessen und eine Zeitnahme gab es auch nicht, aber die Kids und ich hatten bei sommerlichen Temperaturen trotzdem viel Spaß. Und es gab natürlich für alle eine schicke Medaille.
Raceday
Ich hatte mich bewusst für ein Hotel in Shinjuku entschieden, von dem aus man relativ gut zu Fuß zum Startbereich gehen konnte. Das Ziel hingegen befindet sich im Zentrum von Tokyo, direkt zwischen dem Kaiserpalast und der Tokyo Station. Trotzdem hieß es wie immer früh aufstehen. Da wir in unserem Hotel kein Frühstück gebucht hatten, habe ich mich am Abend vorher in einem Supermarkt mit Bananen und ein paar Snacks ausgestattet und außerdem einen Beutel Porridge von Zuhause mitgebracht, das ich dank Wasserkocher im Zimmer zubereiten konnte. Dann noch eine Banane für unterwegs in den Beutel und los ging's. Da man in Japan nicht auf der Straße isst, vor allem nicht beim Gehen, habe ich die Banane nicht unterwegs gegessen, sondern kurz bevor ich in den Startbereich bin – so wie viele andere auch.
Ab 7:00h konnte man in den Startbereich, der Start war dann ab 9:10h. Unser Hotel war ca. 2km vom Start entfernt, allerdings war das mir zugewiesene Gate vom Hotel aus gesehen auf der anderen Seite. Mein Fußweg führte mich zunächst mitten durch das Vergnügungsviertel von Shinjuku und ich war erstaunt, was da um kurz vor 7:00h am frühen Morgen noch los war. Dort war ich zunächst der einzige Läufer, erst als ich in die Nähe der großen Shinjuku Station kam, änderte sich das Bild und die vielen anderen Läufer und Läuferinnen waren insbesondere an den offiziellen Plastikbeuteln erkennbar. Und es standen auch überall Volunteers mit Hinweisschildern zu den Gates.
Das Ganze läuft auf mehreren Ebenen ab. Mir war Gate 3 zugewiesen, das man unterirdisch durch das dortige Tunnelsystem erreicht. Am Gate angekommen musste ich aber erstmal meine mitgebrachten Getränke austrinken, da man keine eigenen Getränke und auch keine leeren Flasks oder Ähnliches mitnehmen durfte (dazu später mehr...). Da ich recht früh dort war, ging die Personen- und Taschenkontrolle ziemlich fix und ich habe anschließend erstmal das gemacht, was alle Läufer machen: In die Schlange zu den Dixis anstellen...
Am frühen Morgen war es noch recht kühl und auch wenn schon die Sonne schien, war der größte Teil des Startbereichs noch im Schatten. Ich ließ mir also noch etwas Zeit, mich von meinen zusätzlichen Schichten zu befreien und meinen Beutel abzugeben. Im Hinblick auf die zu erwartenden warmen Temperaturen hatte ich mich für ein kurzes Shirt entschieden, in kurzer Hose laufe ich ja sowie so immer. Aber die Ärmlinge waren gerade am Anfang noch genau das Richtige. Nun hieß es also die Zeit totzuschlagen. Ein weiterer Dixi-Besuch und noch etwas trinken, denn Wasser wurde dort immerhin angeboten. Meinen Beutel habe ich dann bei freundlich lächelnden und winkenden Volunteers abgeben und mich zu meinem Startcorral begeben. Das alles war wirklich alles sehr gut und übersichtlich organisiert. Arigatō! Viele der Volunteers hatten auch einen gut sichtbaren „English“-Sticker auf ihren Kappen, sodass man im Bedarfsfall wusste, dass man diese in englisch ansprechen konnte.
Der Start
Langsam füllte sich der Startbereich und die Spannung stieg. Dann wurden nach und nach die einzelnen Corrals geöffnet und man wurde einmal um den gesamten Block in Richtung Startlinie geführt. In Tokyo gibt es nur eine Startwelle, bzw. einen fliegenden Start, daher hat es vom offiziellen Startschuss um 9:10h nur ca. 15 Minuten gedauert, bis ich die Startlinie überquert habe. Entsprechend voll war es natürlich dann auf der Strecke. Der Start ist direkt vor den Zwillingstürmen des Tokyo Metropolitan Government Buildings und die Strecke führt dann auf meist sehr breiten Hauptstraßen quer durch die Stadt.
Ich war also unterwegs! In Tokyo! Wahnsinn! Ich fühlte mich gut, wollte das Rennen aber locker angehen und hatte mir eine Zielzeit zwischen 4:20h und 4:30h vorgenommen. Aber in erster Linie wollte ich das Rennen und die Stadt genießen und gut durchkommen. Auf den ersten Kilometern musste ich erstmal schauen, dass ich auf der vollen Strecke eine passenden Lücke für meine gewünschte Pace fand.
Am Streckenrand war durchaus viel los, allerdings war die Geräuschkulisse im Vergleich zu den Rennen in Europa oder den USA ruhiger. Ich will nicht sagen, dass es leise war, aber es war irgendwie „disziplinierter“. Die Japaner standen meist nur freundlich lächelnd und winkend am Rand, während die internationalen Besucher natürlich wie üblich lautstark angefeuert haben. Eine durchaus interessante Mischung.
Wie zu erwarten war, wurde es dann doch recht schnell deutlich wärmer, sodass ich schon nach ein paar Kilometern meine Ärmlinge herunter gestreift habe. Theoretisch geht es auf den ersten Kilometern ganz leicht bergab, aber eigentlich merkt man das kaum. Im Gegensatz zu London, wo man auf den ersten Kilometern runter von Greenwich schnell zum überpacen neigt. Das ist hier definitiv nicht der Fall. Die Strecke ist ansonsten abgesehen von ein paar kaum nennenswerten Unter- oder Überführungen ähnlich wie in Berlin oder Chicago völlig flach.
Einen großen Unterschied gibt es allerdings, denn in Tokyo gibt es insgesamt vier Turning-Points. Man läuft also die Straße hoch bis zu einer Kehrtwende und dann wieder zurück. Dadurch hat man auf dem größten Teil der Strecke quasi Gegenverkehr. Zumindest wenn die Gegenspur nicht bereits geschlossen ist, denn die Japaner haben einen genauen Zeitplan mit strengen Cutoffs, die vor allem auf dem ersten Teil für sehr langsame Läufer durchaus zum Problem werden können. Da gibt es dann auch nichts zu verhandeln. Wenn man nur eine Sekunde zu langsam ist, dann darf man nicht weiter laufen. Da kennen die Japaner kein Pardon, Regel ist Regel. In der Nähe der Cutoff-Punkte standen auch immer eine ganze Reihe von Bussen bereit, die diese Läufer dann zum Ziel bringen konnten. Ich laufe aber zeitlich gut im Mittelfeld, sodas ich mir da wenig Sorgen machen musste. In den einschlägigen Facebook-Gruppen ist das bei den „Back-of-the-Pack“ Läufern aber durchaus ein kritisch diskutiertes Thema.
Boxenstopps
Obwohl ich natürlich im Startbereich mehrfach auf der Toilette war, konnte ich es leider nicht vermeiden, bereits nach gut zwei Kilometern einen ersten Boxenstopp einzulegen. Ich nutzte die Chance von ein paar Dixis, die direkt an der Strecke standen, auch wenn es dort Warteschlangen gab. Aber diese waren, wie man das in Japan gewohnt ist, sehr gut organisiert. Das Warten hat zwar durchaus ein paar mehr Minuten gekostet, als einem das üblicherweise lieb wäre, aber Wildpinkeln ist insbesondere in Japan absolut undenkbar. Ist es in Städten natürlich eigentlich immer, aber Japan ist eben trotzdem Japan. Aber die Dixis waren erwartungsgemäß recht sauber und es gab sogar die Möglichkeit die Hände zu waschen.
Die Situation der WCs ist ebenfalls etwas anders, als man das sonst gewohnt ist. Natürlich gibt es auch in Tokyo regelmäßige Dixi-Stationen, teilweise sind diese aber 50-100m weit entfernt in einer Seitenstraße und nicht direkt an der Strecke. Vielfach werden auch die vorhandenen öffentlichen Toiletten angeboten. Wenn man also muss, dann sollte man jede unmittelbar greifbare bzw. sichtbare Möglichkeit nutzen, denn man weiß ja nie, wie die Situation an der nächsten WC-Station aussieht. Und mit Wartezeiten sollte man fast immer rechnen.
Verpflegung
Die VPs sind in Tokyo ebenfalls etwas anders organisiert, als man das gewohnt ist. Diese sind relativ lang und in Abschnitten von 0 bis 9 durch nummeriert. Man soll dann immer zu dem Abschnitt laufen, der der letzten Ziffer der eigenen Startnummer entspricht. Bei mir war das die 9, also immer der Abschnitt am Ende. Trotzdem kam es bei jedem VP immer zu einem Stau bzw. Gedränge am Anfang, weil die meisten dieses eigentlich sinnvolle System scheinbar nicht verstanden hatten. In jedem Abschnitt gab es Wasser und Pocari Sweat – im Prinzip die japanische Version von Gatorade. Im späteren Verlauf der Strecke gab es bei manchen VPs auch andere Dinge, wie irgendwelche Riegel, Reis-Snacks oder Süßigkeiten. Abgesehen davon, dass ich im Rennen in normalerweise außer meinen Gels nichts anderes zu mir nehme, konnte ich ja nicht mal lesen was das denn überhaupt gewesen wäre...
Getränke gab es in Bechern, die man wie üblich in die dafür vorgesehenen Sammelbehälter werfen musste. Anderen Müll insbesondere leere Gels oder Ähnliches darf man auf keinen Fall auf die Straße werfen, wie das leider häufig bei anderen Rennen praktiziert wird. Am Straßenrand stehen aber überall freundliche Volunteers mit Plastiktüten, in die man den privaten Müll werfen darf. Japan geht eben mit Müll ganz anders um. Es gibt grundsätzlich keine öffentliche Mülleimer, es ist üblich den eigenen Müll mit nach Hause oder ins Hotel zu nehmen und dort ordentlich sortiert zu entsorgen. Im Übrigen war die Anzahl der Volunteers enorm groß und die waren auch wirklich überall.
Im Prinzip war die Versorgung also sehr gut, wenn da nicht das Wetter gewesen wäre. Denn im Laufe des Rennens wurde es bis zu 22°C warm und damit stieg der Bedarf an Flüssigkeitszufuhr natürlich extrem. Normalerweise ist beim Tokyo Marathon immer ein ähnliches Wetter wie auch bei uns Ende Februar/Anfang März, also deutlich kühler. Dieses Jahr wurde es aber der mit Abstand wärmste Tokyo Marathon. Und das hatten die Veranstalter scheinbar nicht auf dem Plan. Ab Kilometer 30 wurde es dann nämlich zum Glücksspiel, ob es noch Getränke oder Becher gab. An einer Station musste ich sogar aus meinen Händen trinken. Auf den letzten 10 Kilometern war mein Mund auch dauernd trocken und es wurde echt unangenehm. Ich war immer froh wenn ich zumindest noch einen kleinen Becher Wasser bekam. Wasser zur Kühlung über den Kopf gießen war also auch keine Option mehr, obwohl ich das gerne gemacht hätte.
Meine Supporter
Die vielen Wendepunkte hatten einen Vorteil. Für meine Family war es dadurch natürlich viel einfacher mich auf der Strecke mehrfach zu sehen. Sie standen an einer T-Kreuzung in Asakusa und konnten mich ohne großen Aufwand sogar dreimal sehen, denn sie mussten im Prinzip nur die Straße überqueren. Aber dafür hatten sie ja genug Zeit. Das erste Mal kam ich dort nach ca. 17 Kilometern vorbei, dann knapp 2 Kilometer später noch einmal und das dritte Mal nach Kilometer 28. Und danach war ja noch genug Zeit um zum Zielbereich zu gelangen. Dort hätten sie theoretisch auch noch einmal auf den letzten Kilometern an der Strecke stehen können, allerdings hatten wir das nicht verabredet. Wir wollten uns eigentlich im Nachzielbereich treffen, aber das schien wohl nicht so einfach, weil das Tunnelsystem, das von der Tokyo Station ausgeht extrem weit verzweigt ist und sich über mehrere Häuserblocks erstreckt. Trotz der guten Ausschilderung muss man da trotzdem erstmal wissen wo man hin muss. Wir haben dann mehrfach telefoniert und uns letztendlich irgendwo mitten im Tunnelsystem getroffen.
Wie lief das Rennen?
Wie ja bereits oben erwähnt, hatte ich nicht vor, eine Bestzeit zu versuchen, sondern wollte das Rennen locker angehen und möglichst konstant laufen. Das hat zu Anfang auch sehr gut geklappt. Ich fühlte mich die ganze Zeit gut, allerdings wurde schnell klar, dass das mit den steigenden Temperaturen nicht leichter werden würde. Die letzten Monate bin ich ja immer bei winterlichen Temperaturen gelaufen. Und so habe ich natürlich jeden VP genutzt, um ausreichend zu trinken und mir teilweise auch Wasser über den Kopf zu schütten. Auch wenn die Feldgröße mit 37.000 Läufern deutlich unter der Rekordzahl von Berlin mit 54.000 Läufern lag, war es auf den breiten Straßen ähnlich voll. Trotzdem konnte man eigentlich immer gut die eigene Pace laufen. Auch die Straßenverhältnisse waren wirklich top. In New York City hingegen musste man schon genauer schauen, dass man sich nicht versehentlich in einem Schlagloch vertritt.
Bei Kilometer 9 trifft man dann zum ersten Mal auf Läufer im Gegenverkehr. Wirklich beeindruckend diese Menschenmassen. Drei Kilometer später war ich dann an der selben Stelle und es war umgekehrt genauso voll. Danach kommen nochmal ein oder zwei Kilometer ohne Gegenverkehr bevor man auf das längste Stück mit Gegenverkehr abbiegt. Das war mir aber zunächst gar nicht aufgefallen, denn das waren zu diesem Zeitpunkt erst ganz vereinzelte Läufer. Die Elite-Läufer hatte ich wohl gerade verpasst, lediglich ein Begleitfahrzeug konnte ich noch aus dem Augenwinkel sehen. Bei mir war das ungefähr Kilometer 14, für die Elite dann Kilometer 31. Bis ich dort ankam sollte es also noch etwas dauern.
Kurze Zeit später traf ich dann zum ersten Mal die Family. Bis dahin lief noch alles nach Plan, auch wenn ich froh war endlich meine Ärmlinge, die ich zu den Handgelenken herunter gestreift hatte, loszuwerden. Zwei Boxenstopps hatte ich bis dahin schon hinter mir. Auch wenn die Japaner, was das Jubeln und Anfeuern angeht ja eher zurückhaltend sind, gab es am Straßenrand doch diverse Musikkapellen, Cheerleader-Gruppen oder Ähnliches. Vor einem Tempel fand auch irgendeine Art Prozession oder ein Ritual statt. Im Vorbeilaufen konnte ich das nicht wirklich erkennen, aber es wurde laut getrommelt und getanzt. Ob das ohnehin stattgefunden hätte, oder nur wegen des Marathons, weiß ich natürlich nicht.
Ich spulte weiter die Kilometer ab und genoss die Erfahrung in solch einer Mega-City laufen zu dürfen. Ich fühlte mich eigentlich immer noch gut, war aber über jeden VP dankbar. In der Regel habe ich immer Wasser und Pocari Sweat getrunken. Auch meine Gels und die Salztabletten habe ich regelmäßig genommen. Weitere Boxenstopps gab es auch, genau gezählt habe ich dann aber nicht mehr. Beim dritten Treffpunkt mit der Family war ich dann auch dankbar über einen zusätzlichen Schluck Wasser, auch wenn ich da noch gar nicht wusste, dass es kurze Zeit später bereits die ersten Engpässe an den VPs geben sollte.
Und so kam es dann es dann. Etwa bei Kilometer 31 standen die ganzen Volunteers freundlich lächelnd und winkend vor den Tischen, hatten aber nichts mehr, was sie ausgeben konnten. Da die VPs aufgrund der Nummerierung sehr lang waren, hoffte man zwar, im hinteren Teil noch etwas zu bekommen, aber Fehleranzeige. Auch dort gab es nur noch ein paar leere Becher. Und so sollte sich das bei den nachfolgende VPs teilweise wiederholen. Manchmal gab es an den letzten Tischen noch ein wenig, aber die Füllmengen war bereits stark rationiert. An einem Stand gab es keine Becher mehr, aber noch viele Flaschen. Aber die durften die Volunteers nicht herausgeben. Also musste man entweder aus diesen Flaschen trinken ohne diese zu berühren oder man musste aus den Händen trinken. Das alles sorgte natürlich bei allen für großen Unmut.
Spätestens da war klar, dass ich mein geplantes Zeitziel nicht mehr erreichen würde. Ich hatte einen trockenen Mund und war die ganze Zeit durstig. Nicht gerade die besten Voraussetzungen, um bei diesen Temperaturen ein Rennen vernünftig durchzuziehen. Trotzdem genoss ich die Stadt. Gegen Ende kommt man zweimal in der Nähe des Tokyo Towers sowie am Zōjō-ji Tempel vorbei. Von dort sind es dann nur noch gut zwei Kilometer bis zum Ziel. Es hieß also noch einmal die letzten Kräfte zu sammeln. Beim letzten VP gab es zum Glück auch noch etwas zu trinken. Wenn man dann noch einmal an der Ecke des Parks am Kaiserpalast vorbei kommt, kann man schon die Zelte im Zielbereich sehen. Der letzte Kilometer. Aber der zieht sich. Hier ist zum ersten Mal kein Asphalt, sondern es ist gepflastert. Am Ende dieser gefühlt endlosen Straße biegt man dann auf die Zielgerade ab. Die letzten hundert Meter!
Im Ziel
Geschafft! Ich war im Ziel! Finisher des Tokyo Marathon 2025! Wahnsinn! Was für ein Erlebnis! Ein weiterer Teil des Traums ging in Erfüllung. Auch wenn das Rennen aufgrund der Umstände nicht ganz nach Plan lief, war und bin ich glücklich und zufrieden. Es war einfach toll, hier laufen zu dürfen. Nach der Ziellinie teilt sich der Zielbereich dann auf, abhängig von der Farbe der Startnummer. Ich musste nach links und bekam dort meine ersehnte Medaille und natürlich den grandiosen Poncho. Den Poncho könnte man als ein handtuchartiges extrem überdimensioniertes T-Shirt mit Kapuze beschreiben. Sehr bequem. Schade, dass es so etwas nicht häufiger gibt.
Bevor man dann seinen Beutel abholen konnte, wurde man durch die Zielverpflegung geführt. Dazu bekam man zunächst eine leere Plastiktüte und dann wurden einem im Vorbeigehen nach und nach einzeln die Inhalte von den wie immer freundlich lächelnden Volunteers überreicht. Darunter z.B. ein sehr kleines Stückchen abgepackter Frischkäse (?) oder ein kleines Tütchen Badesalz. Da natürlich alles in japanischen Schriftzeichen bedruckt ist, hatte man darauf vorsichtshalber einen Aufkleber mit dem Hinweis „Don't eat“ angebracht. Eine Body-Lotion gab es auch noch und natürlich etwas zu Trinken und etwas Obst.
Nach dem Zieleinlauf war das sommerliche Wetter natürlich ein Traum. Man kühlte nicht aus und die verschwitzten Klamotten trockneten schnell. Ich habe also nur meine Rennschlappen ausgezogen und bin ab dann nur noch in Crocs herumgelaufen. Was für eine Wohltat. Erst später habe ich dann einen Hoodie angezogen. Natürlich unter dem schicken Poncho. Denn was gibt es Besseres als nach dem Marathon mit Poncho und Medaille durch Tokyo zu laufen? Nachdem ich meine Family endlich im Tunnelsystem gefunden hatte, ging es erstmal auf den Vorplatz der Tokyo Station, um vor der schönen Fassade ein paar Fotos zu machen.
Am Abend habe ich zum Essen dann endlich ein Bier getrunken, nachdem ich mich die Tage vorher an den alkoholfreien Varianten versucht hatte. Ich trinke ja durchaus gerne mal alkoholfreies Bier, aber da was es da in Japan gibt: Leider nein, leider gar nicht. Das reguläre Sapporo, Suntory oder Kirin kann man aber durchaus gut trinken.
Medal Monday
Nachdem es ja Samstag und Sonntag sommerlich warm war, wurden wir am Montagmorgen von strömendem Regen begrüßt. Es war wieder richtig kalt geworden und im Laufe des Tages gab es sogar etwas Schneeregen. Was für ein Kontrast. Aber Medal-Monday-Fotos mussten natürlich trotzdem gemacht werden. Ich hatte mir dazu den Hie Shrine bzw. die dortige Treppe der Thousand Toriis ausgesucht. Es sind wohl nur 90 Tore, aber beeindruckend ist es trotzdem. Vorteil des regnerischen Wetters war aber, dass wir dort quasi alleine waren, obwohl das üblicherweise ein beliebter Foto-Spot ist. Danach ging es zum Shoppen nach Ginza. Diese Idee hatten aber nicht nur wir, was bei dem Wetter natürlich zu erwarten war.
Anschließend trieb uns der Hunger in ein Teppanyaki-Restaurant nach Shibuya, was allerdings nicht ohne Warteschlange möglich war. Praktischerweise gibt es in Japan aber sehr häufig Sitzwarteschlangen, das bedeutet man sitzt vor dem Restaurant auf Hockern oder Bänken und wandert dann langsam weiter, bis man an der Reihe ist. Die Wartezeit war aber überschaubar. Dann hieß es, die Speisekarte zu verstehen, was insbesondere die Portionsgröße anging und so haben wir so viel bestellt, dass einer der Küchenchefs noch einmal vorbeikam und uns dazu geraten hat einen Teil wieder abzubestellen. Die Portionen waren wirklich deutlich größer als erwartet. Es war extrem lecker, aber im Prinzip immer noch viel zu viel...
Aus der Etage des Hochhauses in dem sich unter anderem das Restaurant befindet, hat man auch noch einmal einen guten Blick auf Shibuya Crossing.
Es war dann unser letzter letzter Abend in Tokyo, denn am nächsten Morgen musste unser Sohn ja leider schon vorzeitig nach Hause fliegen. Für den Rest der Familie ging es dann weiter nach Kyoto und Yokohama, wo wir jeweils noch ein paar Tage verbracht haben. Aber das soll hier ja kein kompletter Reisebericht werden.
Danke Tokyo!
Was soll ich sagen? Über einen Monat später bin ich – oder sind wir als Familie – immer noch total begeistert von Tokyo bzw. Japan insgesamt. Die Freundlichkeit der Japaner, die Organisiertheit und Zuverlässigkeit, verbunden mit der für uns doch sehr exotischen bzw. fremden Kultur waren ein ganz besonderes Erlebnis. Auch wenn ich bei der Getränkeversorgung beim Marathon leider einen deutlichen Punkt abziehen muss, war alles andere wirklich super organisiert. Es war wirklich etwas ganz Besonderes für mich, in Tokyo laufen zu dürfen.
- Ein Video vom Marathon gibt es hier unten oder direkt bei YouTube
(Aufgenommen mit der Insta360 X3)
Wer hätte das gedacht, als ich 2017 mit dem Laufen begonnen habe und 2019 in New York City meinen ersten Marathon gelaufen bin, dass ich einige Jahre später bereits in so vielen Teilen der Welt Marathons absolvieren konnte. Jetzt fehlt mir also nur noch der sechste Stern, den ich mir irgendwann in Boston abholen werde. Wann das sein wird, weiß ich aber leider noch nicht.
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